Gewinnung von Erdöl
Das in den Gesteinsporen gespeicherte Erdöl steht unter Druck. Dieser Druck wird durch das im Öl gelöste Begleitgas oder durch eine mit dem Speicher in Verbindung stehende wasserführende Schicht (Aquifer) gebildet. Man spricht daher vom hydrostatischen Druck einer Lagerstätte, wenn ihre vertikale „Teufe“ (Tiefe) geteilt durch Zehn ungefähr dem Druck der Lagerstätte in „bar“ entspricht. Bei 1500 Metern wären das 150 bar. Sobald eine Bohrung die Lagerstätte erreicht hat und mit den erforderlichen Rohr und Zementauskleidungen versehen ist (siehe Abbildung), kann der Zugang von der Bohrung zur Lagerstätte geschaffen werden. Dies geschieht durch Perforation der Rohrwand/Zementabdichtung mittels Hohlladungsgeschossen.
Verrohrungsschema einer Tiefbohrung (Quelle: ExxonMobil - Suche nach Erdgas)
Primärförderung:
Der Unterdruck in der Bohrung lässt das Öl und Gas aus der Lagerstättenschicht eintreten und durch eine Förderrohrtour bis zum Bohrungskopf aufsteigen, wenn auf der Bohrungssohle (Boden) genügend Druck vorhanden ist. Ansonsten muss gepumpt werden. Neben dem Öl und dem Gas fließt aber auch Schichtwasser in das Bohrloch und muss mitgefördert werden. Wenn der Druck in der Lagerstätte abgefallen ist, weil das Begleitgas ausgefördert wurde oder der Wasserdruck nicht stark genug ist, beginnt der Zufluss nachzulassen, obwohl erst zirka 15 % des vorhandenen Vorrats gewonnen wurden. Der Grund dafür liegt in der Kompliziertheit der Fließwege in dem mikroskopisch feinen Netzwerk von Gesteinshohlräumen (Poren). Die dabei auftretenden Reibungskräfte erfordern größere Druckgefälle entlang der Fließwege. So ist es daher kein Wunder, dass der Fluss im Laufe der Zeit stoppen kann. Um ihn aufrecht zu erhalten, muss der Lagerstättendruck wieder erhöht werden.
Sekundärförderung:
Durch Injektion von Wasser oder Gas kann der Druck wieder aufgebaut und anschließend konstant gehalten werden. Das Wasser bzw. das Gas verdrängen Öl (Wasser-/Gasfluten) und führen damit zu einer verbesserten Ausbeute von bis zu 40 % des Vorrats. Aber die Physik der Fließprozesse von Öl, Gas und Wasser ist an Grenzen gebunden, die von ihren physikalischen Eigenschaften, wie z. B. – Zähigkeit (Viskosität), Grenzflächenspannung, Dichte, geprägt sind. Diese Grenzen zu überwinden, ist Aufgabe für die nächste Phase der Gewinnung.
Tertiärförderung (Enhanced Oil Recovery, EOR):
In der Lagerstätte ist das Öl meist wesentlich viskoser (zähflüssiger) als das begleitende Gas oder Wasser und fließt daher langsamer. Zwischen Wasser und Öl oder Gas und Öl herrschen Grenzflächenkräfte, die eine Vermischung unmöglich machen. Ziel der Tertiärmethoden ist es, die Ölviskosität durch Erwärmen (Dampfinjektion) herabzusetzen, um den Ölfluss zu beschleunigen oder das Wasser anzudicken (Polymerfluten), damit es das viskosere Öl besser verdrängen kann.
Mit Hilfe von grenzflächenaktiven Chemikalien (Tensidfluten) kann die Grenzflächenspannung soweit herabgesetzt werden, dass Öl im Wasser fein verteilt eingelagert (emulgiert) werden kann. Die Ausbeute kann so bis auf 60 % gesteigert werden. Mit 40 % Restöl bleiben dennoch große Mengen an Öl in den Lagerstätten ungenutzt zurück.
Zusammen mit den noch nicht erschlossenen weltweiten Erdölressourcen sind das 500 Milliarden Tonnen. Das entspricht dem mehr als Hundertfachen der derzeitigen weltweiten Jahresförderung an Erdöl.
Für die Förderung des wesentlich leichteren Erdgases sind deutlich höhere Ausbeutegrade des durch Expansion bis zum Bohrlochkopf aufsteigenden Gases mit bis zu 80 % des Vorrats erreichbar.
Schemadarstellung von Sekundär- und Tertiärförderung (Quelle: BVEG)
[Text: Prof. Dr. Günter Pusch]