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Aus den Anfängen der Wietzer Erdölzeit

Es war um 1900 herum, als ich vier Jahre alt war, und ich kann mich noch gut erinnern, daß Müllers Großvater, unser Nachbar, öfter mit seinen Lederpantoffeln in unseren kleinen Laden kam, um sich eine Rolle Kautabak zu holen. Wenn er mich sah, dann pflegte er zu singen; „William Witt, die Hoar, dei sind witt“, dann lachte er mich an und schlurrte in seinen Pantoffeln wieder zur Mühle zurück. Mit seinem weißen Vollbart ist er mir noch gut in Erinnerung (…)

unser Vater arbeitete bis 1900 auf den Poo[c]k'schen Olwerken als Platzmeister. Ja, das war eine tolle Zeit in unserem Dorf. Auf jedem Hofe standen die Bohrtürme. Tag und Nacht war das ein Gebumse, daß die Türen und Fenster wackelten. Wenn einmal Besuch kam und bei uns übernachtete, dann tat er die ganze Nacht kein Auge zu. Zwanzig Gesellschaften bohrten nach dem schwarzen Gold und wollten dabei reich werden. Aber die meisten sind arm dabei geworden und mußten ihre Bohrtürme an die große Deutsche Mineralölgesellschaft, aus der dann die DEA hervorging, verkaufen. Das Öl wurde in Holzfässern mit Pferd und Wagen nach Celle oder Schwarmstedt gefahren, so kam es, daß wir in Wietze viele Pferde und Fuhrwerke hatten. Der kleine Franz Urban hatte allein fünf eigene Gespanne laufen und noch dazu verschiedene andere Gespanne von Wietzer Bauern angenommen. (…)

Die vielen Bohrarbeiter kamen jeden Morgen um 6.00 Uhr und arbeiteten dann bis zum Abend um 6.00 Uhr Sie hießen bei uns „Schuppenkerls“, weil sie in diesen Schuppen, die überall bei den Bohrtürmen standen, lebten. Wenn die Woche herum war, erhielten sie etwa 20,00 Mark ausbezahlt. Dafür konnte man damals sehr viel kaufen.

Als die großen Ölbehälter aufgebaut wurden, kamen dazu viele fremde Leute aus dem Elsaß und aus Westfalen in unser Dorf. Sie wohnten in dem großen neu errichteten Bahnhofshotel oder mit einem Schlafplatz bei alteingesessenen Wietzern. Das war damals den ganzen Tag über ein Gehämmere und Getöse von dem vielen Nieten, die die Bleche zusammenhielten. Die Metallarbeiter waren aber auch sehr grobe Gesellen, so daß Schlägereien an der Tagesordnung waren, und das neue Bahnhofshotel hieß nicht anders als „Hotel zum blutigen Knochen“. Wenn in Wietze Schützenfest im alten Saal im Wietzer Hof war, mußten die Einheimischen tüchtig zusammenhalten, um nicht von den Fremdarbeitern zusammengeschlagen zu werden. Der Landjäger (Polizist) „Müller 15“ hat hier in Wietze damals viel erlebt und auch manchen Schlag dabei abbekommen. Da es damals noch kein Bergamt gab, mußte er als ungelernter auch die Sicherheitsvorschriften bei den Bohrlöchern mit überwachen, dabei haben die Arbeiter ihm so manchen Streich gespielt. Einmal kam er am Abend in der Dunkelheit in eine solche Maschinenbude, wo eine Sturmlampe ein nur kleines Licht gab, da stand der Heizer aus Hornbostel auf der Bank auf dem Kopfe. Der Polizist „Müller 15“ rief: „Was machen Sie denn da?“ „Ach“, sagte der Arbeiter, „ich habe den ganzen Tag auf den Beinen gestanden, und nun sollen sie sich ein wenig ausruhen.“ In einem anderen Fall hatte Hellbergs Vater aus Wieckenberg Nachtschicht, als er sah, daß „Müller 15“ kam, stellte er sich hinter seine Maschine. Als der Polizist dann die Türe aufmachte, öffnete Hellberg das Dampfventil ganz, so daß ein riesiger Krach entstand, und der Polizist ganz vom Dampf eingehüllt wurde und so schnell, wie er nur konnte, den Maschinenschuppen verließ (…)

Nach ein paar Jahren bekamen die Bauern so viel Geld für die Hergabe ihres Landes für die Ölförderung, daß sie vor oder neben ihren alten Häusern neue bauen konnten. Gastwirt Warnecke war der erste, der den Preis für 1 Faß Öl mit einem Taler bezahlt haben wollte. Die anderen zogen nach. So kam es, daß Warnecke, auf dessen Grundstücken sehr viel Öl gefördert wurde, schon nach ein paar Jahren Millionär war. Das viele Geld war ihm aber in den Kopf gestiegen, so daß er einige Hundertmarkscheine lose in der Tasche hatte, und sie auch zur allgemeinen Erheiterung für hinterlistige Zwecke benutzte. Sein Sohn Ferdinand wurde von uns der „Germane“ genannt, weil er sehr groß und stark war und einen richtigen schönen, blonden Vollbart trug. Er hatte sich einen richtigen Jagdwagen mit Gummirädern, die damals noch sehr selten waren, und dazu echte Rennpferde gekauft. Diese konnten in 1 Stunde bis nach Celle im Trab fahren. Seine Hauptbeschäftigung war die Jagd (…)

Ein Bericht aus den Anfängen der Wietzer Erdölzeit, erstellt von Wilhelm Kämpfer, früher wohnhaft in der Schachtstraße 38 (aus: Erich Bunke, Wietze im 20. Jahrhundert. Erdöl prägte unseren Ort. Band 1, S. 89 ff.)

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