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Der Millionär als Schwindler

In der SPD-Zeitung "Volkswille" vom 8. November 1907 wird über den bekannten Erdölpionier Louis Poock (1843-1906), der seit 1886 in Wietze tätig war, wenig Rühmliches berichtet:

Die Entlarvung eines Bekannten, bereits verstorbenen Millionärs als Schwindler, dessentwegen ein unschuldiger etwa sechs Monate im Gefängnis schmachten mußte, erregte in einer umfangreichen Verhandlung vor der hiesigen Strafkammer, die den ganzen Tag dauerte, große Sensation. Der Millionär ist der in der Handelswelt bekannt gewesene Bergwerksdirektor und Unternehmer Louis Pook [richtige Schreibweise: Louis Poock ], zuletzt in Waldhausen bei Hannover wohnhaft, das unglückliche Opfer desselben der Buchhalter Louis Schmidt, der etwa 25 Jahre bei Pook in Stellung gewesen ist. Zuletzt war er Buchhalter der Holländischen Aktiengesellschaft Mattschappy [= Maatschappij tot Exploitatie van Oliebronnen], eines Erdölwerkes in Wietze bei Celle. Pook sen. als Gründer der Gesellschaft und früherer Terrainbesitzer war zunächst Direktor dieser Gesellschaft, später sein Sohn Karl. Pook sen. hatte sich indes als Aufsichtsratsmitglied vorbehalten, die Leitung der Geschäfte nach wie vor zu führen, er war lediglich zum Schein als Vorstandsmitglied ausgetreten, um in einem Prozess um 7 Millionen als Zeuge eidlich vernommen werden zu können. P. sen. bezog jährlich 30-70.000 Mk. Tantieme für seine Tätigkeit. Wie heute festgestellt wurde, hat er sich dazu noch Tausende und aber Tausende in unehrlicher Weise von dem Vermögen der Gesellschaft erworben. Angeschuldigt war zwar der Buchhalter Schmidt, der diese ungeheuren Summen veruntreut und zahlreiche Urkundenfälschungen zum Nachteil der Gesellschaft begangen haben sollte. Was ihm zur Last gelegt wurde, das hat erwiesenermaßen Pook sen. getan. Im Geschäftsbetrieb der Gesellschaft Mattschappy wurden drei Quittungen der Firma Haedge u. Richter über rund 16 500 Mk., 12 000 Mk. und 16 000 Mk., zwei Quittungen der Firma Blank über 13 900 Mk. und 30 200 Mk., von der Firma Lampe sechs Quittungen über 1400 Mk., 850 Mk., 446 Mk., 447 Mk., 694 Mk. und nochmals 694 Mk. gefunden. Diese Rechnungen trugen auch den Vermerk des Betriebsleiters in Wietze: Richtig befunden Hacke. Die Quittungen waren auf Rechnungsformularen der genannten Firmen angefertigt; sie lauteten über gelieferte Waren. In Wirklichkeit hatten diese Firmen die auf den Rechnungen verzeichneten Waren aber überhaupt nicht geliefert; die Rechnungen waren viel mehr von A bis Z gefälscht, und die Formulare dazu sind unter einem Vorwand von den Firmen vorher erbeten. Auf zwei Rechnungen der Firma Haedge u. Richter war der Vermerk: „Richtig befunden Hacke“ ebenfalls gefälscht. Weiter ist eine Gehaltsquittung des Hacke, über 300 Mk. lautend, gefälscht und in den Büchern war schließlich noch das Konto des Rechtsanwalt Naumann in Celle mit 15 000 Mk. behaftet, während diese 15 000 Mk. nicht an Naumann gesandt waren. Endlich hat sich noch eine dauernde Fälschung der Lohnlisten für die Jahre 1901-1906 herausgestellt, es waren darin Leute aufgeführt, die gar nicht mehr arbeiteten, anderseits war eine höhere Arbeitszeit in den Listen in Anrechnung gebracht, als wirklich geleistet war. Die Handhabung der Lohnlisten und die Auszahlung der Gelder an die Arbeiter ist in einer wirren und unkontrollierbaren Art geschehen. Bald hat es der eine und bald der andre gemacht; eine Aufklärung in dieser Beziehung war nicht zu schaffen und ebenso nicht hinsichtlich der gefälschten Gehaltsquittung. Im übrigen wies aber der Angeklagte Schmidt nach, bzw. wurde in der Verhandlung festgestellt, daß nicht Schmidt, sondern Pook sen. die Fälschungen begangen und sich das viele Geld unrechtmäßig verschafft hat. Die eigenen Kinder des Pook mußten unter Eid der Wahrheit die Ehre geben und ihren verstorbenen Vater in schwerster Weise belasten. Pook sen. soll über 3 Millionen Vermögen hinterlassen haben. Mutter und Kinder leben jetzt in bitterer Feindschaft; die Mutter hat die Nutznießung der Hinterlassenschaft. Der Angeklagte Schmidt wurde in allen Punkten von der erhobenen Anklage freigesprochen und aus der Haft entlassen. Er wird zweifellos wegen unschuldiger Inhaftierung eine erhebliche Entschädigung einklagen. – Bei der wirren und unkontrollierbaren Lohnzahlung waren auf alle Fälle die Arbeiter die die Leidtragenden. Der Beruf des Millionärs, der darin besteht, aus den Knochen der Arbeiter Millionen heraus zu schinden und die Allgemeinheit sich tributpflichtig zu machen, ist an sich schon anrüchig. Hier dürfte aber der seltene Fall zu verzeichnen sein, daß ein Millionär vor Gericht als Schwindler entlarvt wurde. Der Millionär ist allerdings schon tot, aber tatsächlich hat die Unschuld große Mühe, auch gegen Tote Millionäre ihr Recht zu behaupten, bei lebendigen Millionären ist das u. E. Ein ganz aussichtsloser Kampf.

Die Ausführungen zu den betrügerischen Machenschaften des Louis Poock lassen sich gut in Einklang bringen mit den Erinnerungen des damaligen Gemeindevorstehers Hermann Thies (1858-1937), der über Poock und seinen Bohrinspektor Hacke Folgendes zu berichten weiß (vgl. Ölpost Nr. 13/2018):

Im Ganzen schien es zwischen der Holländischen Gesellschaft und Poock und Hacke auch nicht ganz ehrlich zugegangen [zu] sein, denn es wurde darüber manches geredet. Denn einmal erzählten mir mal die Fuhrleute, es war in Schwarmstedt eine Ladung Kohlen angekommen und sie fuhren dahin, diese zu holen, aber der Frachtbrief war noch nicht eingelöst. Da wäre Willi Hacke auch nach Schwarmstedt gekommen, der hätte dann den Frachtbrief eingelöst, hätte dann aber die Kohlen weiter befördert nach Walsrode an Poock seinen Schwiegersohn beziehungsweise -tochter, die dort wohnte. Auch war es den Leuten unbegreiflich, wie es Hacke möglich war, die beiden großen Häuser zu bauen, aber es wurde auf dem Werke und auch bei Hacke gebaut. Es wurde dann auch ein Prozess angefochten, wozu auch ich als Zeuge geladen wurde, ich musste dazu auch die Krankenkassenliste mitbringen. Es stellte [sich] dabei heraus, dass in dieser Liste noch Leute geführt wurden, die schon jahrelang nicht mehr auf dem Werke gearbeitet hatten, es mussten dennoch diese Leute auch in der Lohnliste geführt sein. Wer diese Löhne nun in Empfang genommen hatte, ist wohl nicht aufgeklärt, denn wie der Prozess losging, hieß es auf einmal, Poock ist tot. Es konnte dann Poock vieles in die Schuhe geschoben werden. Hacke hatte nach Wietze auch wohl kein besonderes Vermögen mitgebracht, denn es ging ihm, bevor die Holländische Gesellschaft nach hier kam, anscheinend recht knapp, denn man hörte mitunter, dass die Arbeiter ihm noch Lebensmittel hingebracht hätten. Es schien damals Leute zu geben, die gar nicht an Poock seinen Tod glauben wollten, sondern dass er ins Ausland gegangen sei, und dass ein falscher Toter beerdigt sei.

 

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